BGH 3 StR 199/12 Bankkrottstrafbarkeit bei Firmenbestattung

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

3 StR 199/12

vom

15. November 2012

Nachschlagewerk: ja

BGHSt: nein

Veröffentlichung: ja

StGB § 283 Abs. 1 Nr. 8

Zur Strafbarkeit wegen Bankrotts in Fällen der sog. Firmenbestattung.

BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12 – LG Rostock

in der Strafsache

gegen

1.

2.

3.

wegen Betruges u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 15. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 10. Juni 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass er der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in acht Fällen schuldig ist; die im Fall A.V.8 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten entfällt.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie die Revision des Angeklagten M. werden verworfen.

4. Die Beschwerdeführer M. und P. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils vier Fällen sowie wegen Betruges in 21 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten B. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils zwei Fällen sowie wegen Betruges in zwölf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie den Angeklagten P. wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in neun Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es jeweils Teile der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen für vollstreckt erklärt. Dagegen richten sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Die Angeklagten M. und B. rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts, der Angeklagte P. erhebt die allgemeine Sachrüge.

Die Rechtsmittel der Angeklagten B. und P. haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie – wie die Revision des Angeklagten M. – unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten B. hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe die Wirkungen zu berücksichtigen, die von ihr für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die berufs- und standesrechtlichen Folgen der Strafe. Der Umstand, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nach den Vorschriften des Beamtenrechts die Beendigung des Beamtenverhältnisses zur Folge hat, ist deshalb regelmäßig als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erörtern (BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39 mwN).

Dies hat die Strafkammer bei dem Angeklagten B. , einem Zollbeamten, dessen Beamtenverhältnis nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG mit Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe endet, ersichtlich nicht bedacht. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung dieses Umstandes, der bereits bei der Strafrahmenwahl in den Blick zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 – 2 StR 527/87, BGHSt 35, 148), niedrigere Einzelstrafen und/oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte.

Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrecht erhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

2. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten P. weist allein mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht einen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinen Ungunsten auf. Bei einer Deliktserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tat-einheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteilig-ten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Bewirkt dieser, dass dadurch mehrere Tatbeiträge von Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841 mwN).

Nach diesen Maßstäben ergeben die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte P. in den Fällen A.V.1 bis A.V.9 der Urteilsgründe in neun Fällen Beihilfe zu den Betrugstaten des Angeklagten M. geleistet hat. In den Fällen A.V.5 und A.V.8 der Urteilsgründe ist eine konkrete, die jeweiligen Betrugstaten gesondert fördernde Handlung des Angeklagten P. – anders als in den übrigen Fällen dieses Tatkomplexes – nicht festgestellt. Insoweit liegt sein Beitrag einzig darin, dass er durch die Übernahme des Amtes des Geschäftsführers der Gesellschaft in Kenntnis der betrügerischen Absichten des Angeklagten M. es diesem ermöglichte, die Fassade einer tatsächlich am Markt werbenden Spedition aufrecht zu erhalten und ihn so bei der Durchführung der Betrugstaten unterstützte. Dies stellt neben den festgestellten Beihilfehandlungen in den sieben anderen Fällen lediglich einen weiteren Fall der Beihilfe dar, so dass der Schuldspruch entsprechend auf Beihilfe zum Betrug in acht Fällen zu ändern war.

Dies führt zum Wegfall der für den zeitlich später liegenden Fall A.V.8 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafenausspruch wird davon nicht berührt; der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtlich zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen, die den Um-fang der die Tatschuld des Angeklagten im Wesentlichen prägenden Betrugsschäden unberührt lässt, auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie das Rechtsmittel des Angeklagten M. haben – auch mit Blick auf die von den Beschwerdeführern M. und B. umfänglich erhobenen Verfahrensrügen – aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:

Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten M. und B. sich in den Fällen der Verurteilungen wegen Bankrotts jeweils nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 StGB strafbar gemacht haben.

a) Hierzu hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte M. , der faktischer Geschäftsführer eines in Form einer GmbH geführten Speditionsunternehmens war, im Laufe des Jahres 2002 den Plan fasste, dieses und weitere, später von ihm ebenfalls als faktischer Geschäftsführer beherrschte Gesellschaften unter Einschaltung eines sog. Firmenbestatters verdeckt zu liquidieren. Zum jeweils geplanten Ende des Unternehmens sollten Forderungen der Gläubiger – insbesondere die in betrügerischer Absicht durch Stoßbetankungen der Fahrzeuge begründeten – nicht mehr erfüllt und die unternehmerische Tätigkeit mit einer Nachfolgegesellschaft fortgeführt werden. Dazu bediente sich der Angeklagte M. eines in Berlin ansässigen Dienstleistungsunternehmens – des sog. Firmenbestatters -, das gegen ein von den Angeklagten zu zahlendes Entgelt die Abwicklung übernahm. Teil dieser Dienstleistung war es, Personen zu finden – im internen Sprachgebrauch „Strohgeschäftsführer“ genannt -, auf die die Geschäftsanteile zum Kaufpreis von einem Euro übertragen wurden und die das Amt des Geschäftsführers übernahmen. Diese veräußerten die Anteile nach wenigen Wochen an im europäischen Ausland lebende Personen weiter, die sich – teilweise nach Umfirmierung der Gesellschaft, die der weiteren Verschleierung diente – wiederum als Geschäftsführer einsetzen ließen. Auch diese Personen wählte der Firmenbestatter aus und wies sie an, wie sie sich bei den notariell beurkundeten Anteilsübertragungen und Geschäftsführerbestellungen zu verhalten hatten. Bei etwaigen Nachfragen von Gläubigern bereitete der Firmenbestatter – in der Regel hinhaltende – Schreiben vor, die von den neuen Geschäftsführern unterschrieben werden mussten; zum Teil leisteten sie auch Blankounterschriften, die für solche Zwecke verwendet wurden. Für ihre Bereitschaft, als „Strohgeschäftsführer“ zu agieren, erhielten die ausgewählten Personen, bei denen es sich regelmäßig um Rentner oder Empfänger von Arbeitslosengeld II handelte, einmalige Zahlungen in Höhe von 500 oder 1.000 €. Sie waren sämtlich nicht in der Lage, ein Speditionsunternehmen zu führen und hatten daran auch kein Interesse.

Im Vorfeld der Anteilsübertragungen vernichteten und/oder versteckten die Angeklagten teilweise Geschäftsunterlagen, teilweise wurden diese auch an den Firmenbestatter übergeben, ohne dass sie allerdings den neuen Geschäftsführern zum Zwecke der Fortführung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden; sie sollten vielmehr dem Zugriff der Gläubiger und eines etwaigen Insolvenzverwalters dauerhaft entzogen werden. Ein Teil der Unterlagen wurde aus diesem Grund – neben denen anderer Gesellschaften – ungeordnet auf Paletten an einen der „Strohgeschäftsführer“ in Griechenland versandt.

Die Geschäfte der auf diese Weise übertragenen Gesellschaften führte ein ebenfalls von dem Angeklagten M. beherrschtes Nachfolgeunternehmen weiter, das – jedenfalls soweit erforderlich – die Fahrzeuge und das Personal und teilweise auch die Büroausstattung und die -räumlichkeiten übernahm. Mit der Liquidation dieser Unternehmenswerte waren die Angeklagten jeweils noch nach den Anteilsübertragungen befasst. Ebenso wurden die in betrügerischer Absicht eingesetzten Tankkarten der Unternehmen noch nach der Anteilsübertragung auf Weisung des Angeklagten M. verwendet, um Benzinvorräte für die Nachfolgeunternehmen in illegalen Tanklagern anzulegen bzw. weiter aufzufüllen. In einigen Fällen hoben die von dem Angeklagten M. eingesetzten früheren Geschäftsführer – auch der Angeklagte B. – nach der offiziellen Veräußerung der Gesellschaft noch die auf dem Geschäftskonto befindlichen bzw. dort noch eingehenden Guthabenbeträge ab und gaben das Geld an ihn weiter.

Nach diesem Muster verfuhr der Angeklagte M. bei der A. Spedition GmbH, deren nomineller Geschäftsführer bis zur Anteilsveräußerung im Oktober 2002 sein Vater gewesen war, bei der R. GmbH (Ge-schäftsführer vor der Anteilsveräußerung im September 2004: zunächst die Lebensgefährtin des Angeklagten und sodann der gesondert Verfolgte T. ), bei der S L. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräuße-rung im November 2005: der Angeklagte B. , der mit dem Angeklagten M. arbeitsteilig zusammenwirkte) und bei der I GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im Juni 2005: der Angeklagte P. ), die von vornherein in erster Linie dazu bestimmt war, Dieseltreibstoff betrügerisch zu erlangen und ansonsten keine nennenswerte Geschäftstätigkeit entfaltete. In gleicher Weise agierte der Angeklagte B. bei der von ihm auch als eingetragener Geschäftsführer geleiteten & GmbH, deren Speditionsgeschäfte die R. GmbH weiter führte.

b) aa) Das Landgericht hat mit Blick auf die teilweise Vernichtung und letztlich vollständige Entziehung der gesamten Geschäftsunterlagen – rechtlich unbedenklich – den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB als erfüllt angesehen: Es handelte sich insoweit um Handelsbücher und sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung die durchweg in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Gesellschaften verpflichtet waren; durch ihre Unterdrückung wurde auch die Übersicht über ihren Vermögensstand erschwert.

bb) Auch die Annahme der Strafkammer, in der Übertragung der Unternehmen auf einen zur Fortführung des Geschäfts ungeeigneten und unwilligen Strohmann liege eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, hält im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Mit dem Merkmal der „geschäftlichen Verhältnisse“ sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus die Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse (BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 mwN). Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählen aber auch grundlegende unternehmerische Gesichtspunkte, namentlich Investitionsvorhaben, Planungsmaßnahmen und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens (Kümmel, wistra 2012, 165, 168; LK/Tiedemann, 12. Aufl., § 283 Rn. 173). Insbesondere über letztere wurden die Gläubiger vorliegend getäuscht, weil durch den Wechsel des Gesellschafters/Geschäftsführers ohne die Absicht, das Unternehmen fortzuführen, verschleiert wurde, dass die Gesellschaften tatsächlich von den Angeklagten liquidiert wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Tätigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlichkeiten auf keinen Fall würden begleichen können und dies auch nicht wollten. Dadurch sowie durch die durchgeführten weiteren Veräußerungen und die damit verbundenen Sitzverlegungen ins Ausland konnten Gläubiger davon abgehalten werden, in Vermögensgegenstände der Gesellschaften zu vollstrecken (vgl. dazu BGH aaO). Angesichts des alleinigen Ziels der Gläubigerbenachteiligung waren diese Handlungen auch erkennbar grob wirtschaftswidrig.

c) Allerdings hat sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst, ob die insoweit maßgeblichen Bankrotthandlungen den Angeklagten auch als täterschaftliches Handeln zugerechnet werden können. Sie stellt sich, weil es sich bei dem Tatbestand des Bankrotts nach § 283 StGB um ein Sonderdelikt des Schuldners handelt; ist der Schuldner – wie hier – eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so ist die Zurechnung der Schuldnereigenschaft über § 14 StGB vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226 mwN; zu den Zurechnungskriterien nach Aufgabe der Interessentheorie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Im Ergebnis gefährden die fehlenden Ausführungen dazu den Bestand des angefochtenen Urteils aber nicht.

aa) Die Einhaltung der außerstrafrechtlichen Aufbewahrungspflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB begründet, hatten bei den Gesellschaften deren Organe bzw. Vertretungsberechtigte zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2369), also der Angeklagte M. als faktischer und der Angeklagte B. in den ihn betreffenden Fällen als eingetragener Geschäftsführer.

bb) Die den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB begründenden Tathandlungen begingen die Angeklagten nur zum Teil selbst, indem sie die Geschäftsanteile veräußerten. Dies allein begründet die Strafbarkeit – jedenfalls wegen vollendeten Bankrotts – indes noch nicht, weil der formelle Akt der Anteilsübertragung für sich betrachtet – auch im Zusammenhang mit dem Ziel der „Firmenbestattung“ – kein vollendetes Verschleiern der geschäftlichen Verhältnisse darstellt (Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2135 f.; Kümmel, wistra 2012, 165, 168). Erst im Zusammenhang mit den weiteren Handlungen der Strohmänner, die sich nach dem Erwerb der Anteile selbst zu Geschäftsführern einsetzten und – wenn auch auf Weisung des eingeschalteten Firmenbestatters -die Gesellschaften an im Ausland lebende weitere Strohmänner veräußerten und zum Teil auch umfirmierten, wurden die Gläubiger im oben dargelegten Sinne über die geschäftlichen Verhältnisse der Unternehmen in die Irre geführt. Diese Handlungen können den Angeklagten jedoch nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Insoweit gilt:

Die Angeklagten blieben auch nach den jeweiligen Anteilsveräußerungen und den Bestellungen der Strohmänner zu Geschäftsführern der Gesellschaften nach § 14 StGB taugliche Täter des Bankrotts nach § 283 StGB.

Nach einer in der Literatur und insbesondere in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Auffassung soll dies schon daraus folgen, dass sowohl die Anteilsübertragung als auch sämtliche Gesellschafterbeschlüsse, mit denen der frühere Geschäftsführer abberufen und der neue bestellt, die Firma geändert oder ihr Sitz verlegt wird, wegen der damit verbundenen und intendierten Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und deshalb – mit Blick auf die Gesellschafterbeschlüsse in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG – nichtig sind (Kilper, Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009, S. 371 ff.; Kümmel, wistra 2012, 165, 167; AG Memmingen, Beschluss vom 2. Dezember 2003 – HRB 8361, GmbHR 2004, 952, mit zust. Anm. Wachter, GmbHR 2004, 955 und Ries, Rpfleger 2004, 226; LG Potsdam, Beschluss vom 17. September 2004 – 25 Qs 11/04, wistra 2005, 193, 195 f. mwN; für Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auch Kleindiek, ZGR 2007, 276, 291 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; aA Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2136 f. mwN). Die Frage kann hier aufgrund der Besonderheiten des Falles indes offen bleiben: Der Angeklagte M. war – zum maßgeblichen Zeitpunkt – in keinem Fall eingetragener Geschäftsführer der von ihm faktisch beherrschten Gesellschaften, so dass die Frage einer Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse seine Strafbarkeit nicht berührt. Er war vielmehr vor den jeweiligen Anteilsveräußerungen faktischer Geschäftsführer der Gesellschaften und blieb dies auch über diesen Zeitpunkt hinaus bzw. übernahm die Stellung eines faktischen Liquidators (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. September 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34, 36; Tiedemann in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 82 Rn. 46), indem er die Gesellschaften abwickelte. Der Angeklagte B. war zwar in beiden ihn betreffenden Fällen eingetragener Geschäftsführer der Gesellschaften; auf die zivilrechtliche Wirksamkeit seiner Abberufung kommt es aber ebenfalls nicht an, weil auch er – in einem Fall im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. – diese Gesellschaften nach der Anteilsveräußerung faktisch weiter liquidierte.

Daher kann beiden Angeklagten über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugerechnet werden. Sie wurden in ihrer Eigenschaft als (faktisches) Organ im Geschäftskreis der Gesellschaften tätig: Soweit sie rechtsgeschäftlich handelten, etwa bei der weiteren Verwendung der Tankkarten, zeigt sich ihr organschaftliches Handeln daran, dass die Rechtsfolgen – jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht – im Außenverhältnis unmittelbar die Gesellschaften trafen. Im Übrigen – etwa bei den Barabhebungen von den Geschäftskonten – handelten die Angeklagten mit Zustimmung der (neuen) Gesellschafter/Geschäftsführer, denn wesentlicher Bestandteil der Abrede zur Firmenbestattung war gerade, dass diese die Gesellschaften nicht fortführen wollten und den Angeklagten bei deren Abwicklung freie Hand ließen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f.).

Die jeweils neu eingesetzten Geschäftsführer wiesen ebenfalls gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die erforderliche Schuldnereigenschaft auf, so dass sie taugliche Mittäter des Bankrotts waren und ihre täterschaftlich begangenen Beiträge zur Tatbestandverwirklichung den Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können. Sie handelten als Vertretungsberechtigte der Ge-sellschaft, denn ohne ihre besondere Organstellung als Geschäftsführer wären ihnen Handlungen wie Umfirmierung oder Sitzverlegung nicht möglich gewesen (vgl. BGH aaO). Auch insoweit kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit insbesondere ihrer Geschäftsführerbestellungen nicht an, denn im Falle der Unwirksamkeit wäre § 14 Abs. 1 StGB gleichwohl anzuwenden (§ 14 Abs. 3 StGB). Es kann deshalb offen bleiben, ob ihre Handlungen den Angeklagten nicht auch dann zugerechnet werden könnten, wenn die „Strohgeschäftsführer“ selbst sich nur wegen Beihilfe zum Bankrott strafbar gemacht hätten, weil in ihrer Person das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nicht vorlag.

Becker Schäfer Mayer

Gericke Spaniol